Die Rüstkammer im Staatstheater
Von Kalaschnikow bis Sollbruchsäbel
Ein Blick in die Rüstkammer des Staatstheaters zeigt, wie die Sicherheit von Waffen im Theateralltag gewährleistet wird
Nur mit dem gesondert abzuholenden Schlüssel gelangt man in den vergitterten Bereich des Raumes hinter der schweren Tür im vierten Stock des Haupthauses, dahinter: zwei Reihen dekorativ aufgestellter Schuss- und Fechtwaffen, Kettenhemden an einer Kleiderstange und weitere geheimnisvolle Schränke. Auf den ersten Blick ist gar nicht zu fassen, welch unterschiedliche Waffen hier lagern, von filigranen Floretten bis zu gewaltigen Gewehren ist alles dabei, nur eines haben sie gemeinsam: als Waffen benutzt werden sollen sie nicht.
Die Sicherheit der Beteiligten und des Publikums an erster Stelle. Darum kümmert sich Stephan Parie: Seit mehr als 30 Jahren am Oldenburgischen Staatstheater beschäftigt, verwaltet er seit mehr als 10 Jahren auch die Rüstkammer. Das Wichtigste für den Umgang mit Schusswaffen am Theater ist, dass alle Waffen abgenommen und bühnentauglich sind. Der Großteil der Schusswaffen, die am Haus vorhanden sind, sind pure Requisiten und die anderen sind nur Schreckschusswaffen, die für akustische Effekte sorgen, ohne zu gefährden. Oft ist bei den Waffen der Lauf blockiert, sodass keine Gegenstände hindurchgeraten können. Als Stephan Parie seine Position antrat, hat er zusätzlich bei vielen Schusswaffen die Läufe durchbohren und Schlagbolzen abschleifen lassen, um sie noch weniger tauglich zu machen und so die Sicherheit zu erhöhen. Die modernen Schreckschusspistolen mit blockierten Läufen sind innerhalb der Waffenkammer noch einmal fest eingeschlossen. Doch wie sieht Sicherheit im Detail aus? Bei metallenen Fechtwaffen müssen regelmäßig die Klingen ausgewechselt werden. Um deren Sicherheit zu garantieren, zusätzlich wird die Einsatzfähigkeit vor jeder Vorstellung getestet.
Alle Schauspieler:innen, die auf der Bühne Waffen verwenden, erhalten dafür eine konkrete Einweisung, und dürfen den Lauf einer Schusswaffe niemals auf eine Person richten, denn es könnte zu Funkenflug kommen. Auch wenn es sich manchmal nur um Holzschwerter handelt, muss für das Benutzen von Fechtwaffen auf der Bühne geübt werden. Dazu werden beispielsweise mit einem Fechtmeister exakte Choreografien entwickelt. Diese wird vor jeder Vorstellung noch einmal wiederholt, damit die Abläufe nicht nur gut aussehen, sondern auch für die Schauspieler:innen sicher sind.
Wird eine Waffe nur als optisches Mittel eingesetzt, wie es bei ‚Hänsel und Gretel‘ der Fall ist, werden nur Dekowaffen benutzt. Dann ist die Requisitenabteilung dafür zuständig, die Waffe sicher zu verwahren und für den Bühneneinsatz bereitzuhalten. Bei ‚Foxfinder‘ (Spielzeit 21/22) kamen hingegen gleich mehrere Schusswaffen zum Einsatz. Eines war ein Salutgewehr, mithilfe einer Schreckschusspatrone gab es sowohl einen akustischen Effekt — als auch einen leichten Funkenflug aus dem Lauf — ein großartiger Effekt auf der Bühne. Bei solchen Stücken hat Stephan Parie Abenddienst: Klaas Schramm in der Rolle des Samuel Covey bewegte sich lange mit dem ungeladenen Gewehr auf der Bühne, hinter der Bühne gab er es kurz ab und Stephan Parie setzte zum Auftritt für die Schussszene eine einzige Patrone ein. Soll es auf der Bühne so aussehen, als würde auf eine Figur geschossen, dann wird von der Inspizienz ein Lichtzeichen eingestellt, welches die Schauspieler:innen und die zuständige Requisite sehen können. Mit einer zweiten Waffe wurde auf der Seitenbühne für den akustischen Effekt ein Schuss abgegeben, im selben Moment wurde die Situation weitergespielt, und dank vieler Proben wirkte es so, als wäre wirklich jemand getroffen.
Die Regie hält sich, was den Einsatz von Waffen betrifft, an die Weisungen der Bühnen- und Rüstmeister. Dabei werden die Wünsche für die Inszenierungen erfüllt, soweit es sicher möglich ist. Soll zum Beispiel eine Klinge auf der Bühne zerbrechen, so wird sie vorher durchgeschnitten und nur leicht wieder zusammengelötet. Auch bei ‚Foxfinder‘ mussten Zugeständnisse gemacht werden, denn das Salutgewehr kann nur einen einzigen Schuss feuern, nach diesem Schuss wurde dann auf die modernere Schreckschusspistole gewechselt.
Manche der Waffen in der Rüstkammer sind noch eher kurios als gefährlich: Die vielleicht beliebteste Waffe der Sammlung im Oldenburgischen Staatstheater ist
ein Gewehr, das beim Auslösen lediglich ein kleines Schirmchen aus dem Lauf herausgucken lässt. Eine Reihe weiter steht ein Säbel, bei dem die Klinge durch eine ausgetüftelte Mechanik in zwei Teile zerfallen kann – perfekt für tragisch-komische Momente auf der Bühne.