Italien
KOMOCO
IMA
Fröhlich und ein wenig ungelenk tanzen die alten Menschen, wie Bauern vom Land sehen sie aus in ihren Westen und Hosenträgern. Sie tragen große Maskenköpfe: Sofia Nappis Stück irritiert durch den Gegensatz zwischen den runzelig-gütigen Gesichtern und der erstaunlichen Beweglichkeit ihrer Träger. Warum fühlen wir uns manchmal wie Puppen in unserem eigenen Leben? In »IMA« geht es um die Masken, hinter denen unsere Gefühle verkümmern, es geht um das Gepäck, das wir mit uns herumschleppen, das wir wie in einem Ritual immer wieder aufs Neue auspacken und sortieren.
Durch die unfreiwillige Einsamkeit während der Corona-Jahre empfand die junge italienische Choreografin noch viel intensiver, wie ehrgeizig wir oft in die Zukunft planen oder wie hartnäckig wir an der Vergangenheit kleben – und wie selten wir mitten im Augenblick stehen. Genau nach diesem Leben im Jetzt suchen die jungen Körper unter den alten Köpfen, diese merkwürdigen Figuren wie aus einem fernen Land: Sie befreien sich von den Masken und den Erinnerungen, um in der körperlichen Empfindung des Tanzens eins mit sich selbst zu werden. Erst wenn wir uns selbst akzeptieren, fallen die Masken und wir sind offen für das Leben, für das Neue.
In ihrem eigenwilligen, immer wieder in feiner Ironie funkelnden Stil setzt Nappi virtuose Pointen in die steigende Dynamik, sie lässt sich in ihrem Hang zur Groteske sowohl aus der Gaga-Lässigkeit des israelischen Tanzes wie aus der rustikalen Knorrigkeit der Nordländer inspirieren. »IMA« bezeichnet im Japanischen den Augenblick, im Hebräischen steht das Wort auch für Mutter, assoziiert Geburt und Erneuerung.
»IMA« wurde 2020 von Marie Chouinard als Tanzdirektorin der Biennale von Venedig in Auftrag gegeben, die Uraufführung der abendfüllenden Version fand 2022 beim Colours International Dance Festival in Stuttgart statt.